
Buchtipp
Das Buch ist sehr liebevoll aufgemacht, liefert zahlreiche Informationen und dies nicht allein zu gescheiterten Projekten von Künstlern und Künstlerinnen, sondern auch immer wieder zur Lebensbiografie.
Mir war bspw. nicht bewusst, dass Theodor Fontane erst mit 57 Jahren sich für den Schriftstellerberuf entschieden hat. Auch wusste ich nicht, dass Effi Briest der einzige große Erfolg zu Lebzeiten des berühmten Autors gewesen ist. Neu war mit auch, dass er ein Gespür für Geld hatte. Er bot an, Romane zu schreiben, aber nur wenn der Preis stimmte. Wurde nicht entsprechend gezahlt, dann blieben Themen unbearbeitet.
Auch die Lebensverhältnisse von Marcel Proust oder Robert Musil kannte ich nicht. Ich fand beide Lebensverhältnisse nicht erbaulich, eher abschreckend. In einen solchen Kontext hinein werden dann auch gescheiterte Projekte eingebettet...
Das Buch ist ein schönes Lesebuch, dass die Künste durcharbeitet und altbekannte Sachen präsentiert, aber eben auch immer wieder zumindest mir völlig unbekannte Sachverhalte. Dass Kafkas Romane alle unvollendet geblieben sind, ist für mich ein alter Hut, und auch die Gründe dafür kenne ich. Aber für andere mag das anders sein.
Auch die tragische Geschichte von Bruce Lee und seinem Sohn Brandon Lee kenne ich, aber sie sind gut geschrieben aufbereitet. So lese ich auch das mir Bekannte gerne wieder.
Anderes ist mir wieder gänzlich neu. Dass Leonard Bernstein Zeit seines Lebens ein großer Komponist werden wollte mit Epoche machenden Opern und ihm nicht eine einzige gelang. Wer das nicht weiß, wird hier gut bedient.
Auch dass Pink Floyd neben dem weltberühmten Album Dark Side of the Moon an einem anderen werkelten, wo sie nur mit instrumentenfernen Gegenständen musizierten, das unvollendet blieb, ist eine interessante Neuigkeit.
Zwar gibt es ein Inhaltsverzeichnis und es wird eine gewisse Ordnung geboten, die sich über Kapitelzuordnungen ableitet, aber recht besehen, kommt mir das Buch eher wie ein kleiner, bunter als auch geheimnisvoller Gemischtwarenladen vor, wo man umherflaniert und sich überraschen lässt, was man so in den Regalen findet. Auch die In Kapitel eingebetteten kleineren Geschichten, die optisch anders aufgemacht sind und im Inhaltsverzeichnis gar nicht auftauchen, gehen in die beschriebene Richtung. Es macht einfach Spaß, das Buch aufzuschlagen und sich überraschen zu lassen.
Wer sich für Kunst interessiert, dem sei das Buch von Thomas von Steinaecker empfohlen.
Herr Schmidt ist ein Mann, der sein ganzes Leben von seiner Frau Barbara versorgt wurde.
Dass Herr Schmidt wüsste, wie man Kaffee machte, scheiterte schon daran, dass er nicht mal wusste, wo Kaffeemehl und Milche versteckt waren.
Als seine Frau Barbara einmal auf Reisen ging, kochte sie für ihn vor und legte alles im Tiefkühlfach ab, was Herrn Schmidt erzürnte, weil er doch nicht wusste, wie das ganze Zeug aufzutauen und aufzuwärmen war.
Diese Rundumversorgung hat ein Ende, als Herr Schmidt eines Tages seine Frau frühmorgens von jetzt auf gleich im Bad liegen sieht. Er hatte sich schon gewundert, wo sie geblieben war. Er bringt sie ins Bett und nimmt einen Alltag auf, wo er schon mal kontrolliert, ob sie noch atmet. Man weiß ja nie.
Herr Schmidt lernt allmählich, sich selbst und seine Frau zu versorgen. Das Internet ist ihm eine große Hilfe dabei.
Herr Schmidt ist eigentlich ein Mensch, der nicht sonderlich sympathisch ist. Alina Bronsky hat aber eine wertungsfrei lakonische Art zu schreiben, dass man selbst einen Menschen wie Herrn Schmidt leiden mag.
Bronsky verklärt nichts, beschönigt nichts. Ihr Stil ist ungemein direkt. Sie nimmt kein Blatt vor dem Mund. Mal gefragt in einem Interview, ob sie denn Herrn Schmidt würde selber leiden, sagte sie, beim Vorlesen hätte sie manchmal das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, das wäre nicht sie, die dort spricht, sondern Herr Schmidt. Und doch verurteilt sie ihn nicht.
Barbaras Aufgabe in dem Roman ist es, nicht zu sterben, und Herrn
Schmidts Aufgabe liegt darin, irgendwie klar zu kommen mit der neuen
Situation. Was auf den ersten Blick ganz tragisch, traurig wirkt, ist
aber geschrieben mit einer Leichtigkeit, dass man sich immer wieder ganz
hervorragend, auch federleicht unterhalten fühlt, ohne das der Autorin
die Situation ins Geschmacklose entgleitet. Eine Meisterleistung. Unbedingt empfehlenswert!
Unsere Volksvertreter zwischen Macht, Sucht und Angst
Dieses Buch bietet einen ungeschönten Einblick aus dem Innersten des Regierungsgeschäftes. Wie schwer es ist, sich gegen Lobbyisten zu wehren, wie plötzlich auch die eigene Wiederwahl (der Platz auf der Liste) ein Thema wird und - menschlich verständlich - eigenes Handeln taktisch mitbe-stimmt. Wie aufreibend und lang die Tage meistens sind, wie viel Ängste auch immer wieder mitschwingen. Die Einsamkeit in Berlin, die fern vom heimatlichen Wahlkreis die Psyche belastet, kommt zu Wort und die einen auch neue Nähe suchen lässt. Und natürlich ist auch der Hang zum Größenwahn ein Thema.
Als Leser erfährt man, dass mit Eintritt in den Bundestag man-che/r euphorisiert ist und wie schnell ernüchternd gelernt wird, dass Fraktionsdisziplin ein hohes Gut ist - eigenes Gewissen hin oder her. Zu lernen ist auch, dass durchaus immer wieder mal ein sehr rüder Ton herrscht und das nicht nur zwischen den Parteien, sondern auch innerhalb der Parteien selbst. Über manchen “Fall” aus den Parteien wird berichtet.
Die beiden Journalisten des Buches lassen einen Mäuschen spielen und vermitteln einem bei aller ungeschönten Darstellung ein hohes Maß an Verständnis für unsere Volksvertreter. Unbedingt lesen...

Florian Schroeder ist Comedian, der hier ein fulminantes Sachbuch abgeliefert hat. Er beschäftigt sich mit aktuellen, teils kontrovers diskutierten Themen:
l Gibt es eine Lügenpresse und warum nicht?
l Wieso drehen manche Menschen so mächtig ab wie bspw. Attila Hildmann, der vegane Koch?
l Warum sollte man Kant und Kolumbus nicht mehr lesen dürfen und so viele andere?
l Was hat es generell mir „Cancel Culture“ auf sich? Wo liegt das Problem?
l Warum sollte man hierzulande keine „Dreadlocks“ (Frisur) tragen dürfen, wie manche meinen?
l Sind wir alle Rassisten?
l Wieso finden Verschwörungstheorien so leicht ihre Follower?
l Wieso das Sternchen (*) ein Problem beim Verfassen gendergerechter Texte ist und Logik dabei keine Rolle spielt?
l Warum stellt ein Gericht fest, dass man eine Politikerin ein „Stück Scheiße“ nennen darf, „Schlampe“ aber nicht?
l Was ist „Microtargeting“ und was hat das mit Donald Trump und uns hierzulande zu tun?
l Was haben Anthroposophen, Reichsbürger, Esoterik und Impfgegner miteinander zu tun?
Diese und noch andere Themen bringt uns Schroeder nah.
Absolut lesenswert!
Wer Schroeder nicht kennt: Er ist bei den Querdenkern aufgetreten und hat zu deren Überraschung auf Meinungsfreiheit wie sie gepocht und von der Bühne herab erzählt, dass er an das Virus und die Impfung glaubt. Das mochten sie nicht. So viel Meinungsfreiheit, auf die sie sonst bestehen, war ihnen zu viel. Sie pfiffen ihn aus. Auch das ist natürlich Thema.

Der erste Teil der Memoiren von B arack Obama liegt hier vor, der, anders als heute, noch ein Präsident mit intellektuellem Format war. Man gewinnt einen Einblick in die großen Reformvorhaben, die sich Obama vorgenommen hat und wie sie doch, trotz aller Widerstände, angestoßen wurden. Immer dann, wenn das persönliche Empfinden hervortritt, zeigt das Buch seine besonderen Stärken, denn das heißt auch, mit den Zweifeln konfrontiert zu werden, mit denen der Präsident zu kämpfen hatte, die von der Familien aufgehoben wurden. Aber er ist auch ein Präsident, der im Fall Bin Ladens keinen Zweifel kennt, eine militärische Aktion in einem anderen Staat zu veranlassen, die umgekehrt als kriegerischer Akt behandelt worden wäre. Persönlich und authentisch. Viel mehr als bloße Faktenhuberei.

Der Kriminalroman „Was ans Licht kommt“ von Christoffer Carlsson nimmt sich Zeit, seine Handlung zu entwickeln.
Was als Mordfall da nach und nach entblättert wird, regt die Neugier an und baut ganz allmählich eine untergründige, eine subtile Spannung auf. Die Zeichnung der Protagonisten im Zuge vieler Jahre liefert eine differenzierte Charakterzeichnung derselben.
Schließlich - und das findet man selten bei Kriminalromanen - hat es eine literarische Qualität, die ihresgleichen sucht. Die Sätze liefern nicht nur Informationen zur Geschichte, sondern sind von einer eigenen Ästhetik getragen, was das Lesen zum Hochgenuss macht.
Krimi und literarische Qualität: eine seltene Mischung, hier wird sie eingelöst. Und noch dazu ein Fall, der es in sich hat...
Dieses Buch braucht daher auch keine Cliffhanger alle paar Seiten, die einen bei der Stange halten. Dieses Buch trägt von ganz allein.

Rund um das Schicksal des aufstrebenden Pianisten Karlrobert Kreiten werden Ereignisse gruppiert, die zeitgleich oder zeitnah sich abspielten. Da ist von Görings Geburtstag die Rede und dessen Völlerei, von Stalingrad, wo zur selben Zeit die Soldaten wie die Fliegen sterben, von Joseph Goebbels Rede und seiner Ausrufung des totalen Krieges, den das Auditorium hysterisch willkommen heißt, von den englischen Bombenangriffen auf Hamburg und Berlin, von Hans Rosenthal, der als Jude erfolgreich vor den Nazis versteckt werden kann, bei aller Todesangst, die auch er zuweilen durchleben muss und von so vielem mehr. Victor Klemperer und seine Sammlung zum Wörterbuch des Unmenschen hat seinen Platz genauso wie Erich Kästner, der von den NazisUngeliebte, den man unter Pseudonym trotzdem hat arbeiten lassen. Auch misslungene, mir unbekannte Attentatsversucheund deren Vertuschung auf Hitler werden geschildert.
Und inmitten all dessen Karlrobert Kreiten, der arglos am falschen Platz bei der Freundin seiner Mutter Worte spricht, von dieser denunziert & zum Tode verurteilt wird.
Die ohnehin tragische Geschichte gewinnt noch an Dramatik, wenn auf der einen Seite das pralle Leben geschildert wird, auch das Leid der anderen und eine Zeit vorAugen geführt wird, die deutlich macht, wie eine unmenschliche Ideologie ein ganzes Land ins sinnlose Leid führte. An den geschilderten individuellen schlaglichtartig beleuchteten Menschenschicksalen, mit Karlrobert im Zentrum, gewinnt die unmenschliche Zeit an Leben, dass man mitfühlt und zugleichdenkt: Nie wieder...