Buchtipp: Dorothy Parker - New Yorker Geschichten

Die Geschichten von Dorothy Parker sind nicht neu. Schon 1944 wurden sie publiziert. Und doch - wie das bei guter Literatur so ist - man merkt ihnen ihr Alter nicht an. Es sind Kurzgeschichten. Von Anfang an ist man mittendrin im Geschehen, keine lange Einleitung, keine Vorstellung der Personen, die Handlung trägt einen fort gleich von Beginn. Ein Beispiel: Da gibt es die Geschichte von dem Telefonanruf, den man sich erhofft von einem geliebten Gegenüber, aber warum ruft er nicht an. Man hofft und bangt, aber das Telefon klingelt einfach nicht. Man könnte selbst anrufen, sicher, aber man tut es nicht, jedenfalls nicht nicht sofort, vielleicht später. So wird man mit auf die Folter gespannt und bangt. Es sind Alltagsgeschichten, wie sie vermutlich jeder von uns kennt, über Begegnungen zwischen Menschen bspw. bei einem Tee im Café. Eine junge Frau hat sich verabredet. Er ließ sie 40 Minuten warten. Sie klagt nicht, als er endlich kommt. Sie wäre ebenfalls gerade erst gekommen, lügt sie. Das Gespräch, das er beginnt, bezieht sich auf eine Klasse-Frau vom letzten Abend. Sie tut so, als ob sie ähnliche Begegnungen hätte. So verläuft das Gespräch. Endlich geht sie. Es wäre wirklich nett gewesen. Und er möchte bitte demnächst mal anrufen, meint sie, ganz bestimmt? Die Geschichte heißt: Der letzte Tee. Es sind Geschichten, fesselnd erzählt, in denen man sich selbst schon mal vielleicht wiedererkennt. Und auch wenn nicht: Man fühlt sich emotional berührt, bis nach ein paar Seiten die nächste Geschichte beginnt. Man liest weiter. Die Lektüre, sie lohnt sich.
Norbert Schläbitz
