Der Landkreis Uelzen hat Ende März die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Bau zweier Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von 161 Metern und einem Rotordurchmesser von 158 Metern (Gesamthöhe 240 Meter) in Wulfstorf erlassen.

Eine Chronik der Ereignisse:

2014 hat die Gemeinde Vastorf erstmals aus der Presse erfahren, dass ein Investor mehrere Windenergieanlagen (WEA) in der Gemarkung Wulfstorf errichten will. Der Gemeinderat organisierte daraufhin eine Infoveranstaltung. Hier stellte der Bauernverband seine Planungen vor. Es war von 4-5 Anlagen mit einer Höhe von 200 Metern die Rede. Auffällig schon damals: eine finanzielle Beteiligung war nur für Bürger*innen der Einheitsgemeinde Bienenbüttel vorgesehen.

2015 eröffnete der Landkreis Uelzen das erste Beteiligungsverfahren für das RROP (Regionales Raumordnungsprogramm). Die Gemeinde Vastorf wurde nicht zu einer Stellungnahme aufgefordert. In Bienenbüttel fand Anfang 2016 eine Veranstaltung statt, in der der Landkreis Uelzen über das RROP berichtete und die Vorrangflächen vorgestellt wurden. Die möglichen Investoren erläuterten ihre Pläne. An dieser Veranstaltung konnten nur Einwohner*innen der Einheitsgemeinde Bienenbüttel teilnehmen. In der Stellungnahme der Gemeinde Bienenbüttel zum RROP wurde diese Veranstaltung dann sehr gelobt für die ausführliche Darstellung. Leider findet sich kein einziges Wort über Bedenken jeglicher Art zu diesem Standort.

2016 gibt die Gemeinde Vastorf eine erste Stellungnahme beim Landkreis Uelzen ab. Darin äußert die Gemeinde Bedenken zum Standort in Bezug auf vorkommende Greifvögel, das Wasserschutzgebiet und den zu erwartenden Lärm und Schattenwurf. Des Weiteren besteht die Gemeinde auf eine Höhenbegrenzung von 207 Metern. Zum damaligen Zeitpunkt – in der Hoffnung auf eine Höhenbegrenzung und eine ordnungsgemäße Abwägung durch ein avifaunistisches Gutachten – stellte die Gemeinde eine Zuwegung über ihre Wirtschaftswege in Aussicht. Es stellte sich im Laufe des weiteren Verfahrens heraus, dass der Landkreis Uelzen doch sehr unterschiedlich mit den möglichen Vorrangflächen umgeht. Bei vielen Flächen wurden bereits avifaunistische Gutachten in Auftrag gegeben, aber für Wulfstorf nicht.

2018 formulierte die Gemeinde Vastorf daraufhin eine weitere Stellungnahme und beauftragte eine Biologin mit einem Gutachten. Bei einem Erörterungstermin beim Landkreis Uelzen wurde den Vertretern Gemeinde Vastorf unmissverständlich mitgeteilt, dass es im Ermessen der Planungsbehörde liegt, ob ein avifaunistisches Gutachten schon in dieser Phase notwendig ist. Zeitgleich versuchte der Bauernverband sich Flächen zu sichern, um die Nutzung der benötigten Zuwegung voranzutreiben. Die Gemeinde Vastorf wurde erst später kontaktiert. Eine sehr merkwürdige Vorgehensweise aus Sicht des Rates. Zu diesem Zeitpunkt waren die Planungen auf zwei Anlagen mit einer Höhe von 233 Metern bereits geändert. Letztendlich versagte die Gemeinde Vastorf die Nutzung des in Aussicht gestellten Weges. Das Gutachten der Biologin Frau Langer mit all ihren Erkenntnissen und dem Brutnachweis des Rotmilans sowie der Sichtung des Seeadlers führte nicht zu einem Verzicht auf diese Vorrangfläche. Wie mit dem Seeadler-Nachweis umgegangen wurde, steht unter Pkt. 8 in der Genehmigung (siehe Bildausschnitt): „verspätet gemeldet, somit nicht mehr zu berücksichtigen“. Im April 2019 trat das RROP des Landkreises Uelzen dann in Kraft.

2020 stellte der Bauernverband im Bau- und Wegeausschuss der Gemeinde Bienenbüttel den Antrag auf ein Genehmigungsverfahren zur Errichtung der Windkraftanlagen vor. Die Ausschussmitglieder hatten nur Sorgen bezüglich der Schwertransporte durch den Ort. Man machte sich Sorgen um den Kreisel, und der Bürgermeister hatte die Bitte, keine Transporte zum Zeitpunkt des Schützenfestes durchzuführen. Gut, dass sich diese Herren solche Sorgen machen! Interessant auch die Anfrage eines Ratsmitgliedes nach den „Modalitäten des Sparbriefes je Haushalt“. Man möge doch bitte die Personenzahl pro Haushalt berücksichtigen (nachzulesen im Protokoll des Bau- und Wegeausschusses der Gemeinde Bienenbüttel vom 30.06.2020). Ich mag nicht darüber nachdenken, was diese Anfrage bedeutet.

Im April 2020 wurde dann der Genehmigungsantrag gem. §4 i. V. m. § 10 BlmSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) zur Errichtung und zum Betrieb von 2 Windenergieanlagen gestellt.

Hierzu hat die Gemeinde Vastorf nochmals eine Stellungnahme abgeben. Auch die sich inzwischen gegründete Bürgerinitiative (BI) aus Vastorf reichte eine Stellungnahme ein. Zum letzten Erörterungstermin des Landkreises Uelzen wurde die BI eingeladen und konnte Stellung beziehen. Zur Unterstützung hatte die Gemeinde Vastorf die Biologin Frau Langer mit beauftragt daran teilzunehmen. Leider ist, wie anfangs erwähnt, schlussendlich die Baugenehmigung erteilt worden. Auch wenn in der Genehmigung zahlreiche Auflagen zum Schutz der Natur und des Artenschutzes aufgeführt sind, ist der Rat der Gemeinde Vastorf der Meinung, dass dieser Standort nicht ins RROP gehört und bedankt sich ausdrücklich für das Engagement der BI.

Bleibt noch ein besonderer Punkt in der Baugenehmigung zu erwähnen. Der Landkreis Lüneburg erhält von den Betreibern der Windkraftanlagen ein „Ersatzgeld für die erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes“ in Höhe von 191.238 €. Laut der Pressesprecherin Fr. Holzmann werden diese Gelder für Umweltmaßnahmen verwendet. Die Gemeinde Vastorf darf Anträge stellen, um Fördergelder aus diesem Topf zu generieren. Zum Umweltschutz fallen uns viele Anträge ein. Hoffentlich bekommen wir dann auch einen besonders hohen Zuschuss als Ausgleich.

Wenn ich den gesamten Ablauf vom Erstellen des RROP bis zum Genehmigungsverfahren betrachte, komme ich zu dem Schluss, dass die Vorrangfläche von Anfang an durchgedrückt werden sollte. Sowohl der Landkreis Uelzen als auch die Gemeinde Bienenbüttel hatten kein Interesse daran, dass die Gemeinde Vastorf in diesem Prozess verbindlich mit eingebunden wird.

Mein persönliches Fazit dazu: Unter dem Deckmantel von Klimaschutz und Energiewende hat in diesem Fall das „Schutzgut Mensch“ eine geringere Bedeutung als Naturschutz und Artenvielfalt. Noch größer ist aber die Bedeutung der Lobbyarbeit des Bauernverbandes bei den entscheidenden Stellen im Landkreis Uelzen und der Gemeinde Bienenbüttel.

Hier wurde das St. Floriansprinzip perfekt umgesetzt. Sie (Landkreis Uelzen und Gemeinde Bienenbüttel) haben den Vorteil und wir (Gemeinde Vastorf) die Belastungen. Gute Nachbarschaft sieht anders aus. Es zeigt aber auch, dass eine kleine Gemeinde nur mit begrenzten Mitteln gegen eine übergeordnete Instanz vorgehen kann.

Peter Lade - Vastorf