Ein Interview mit Sabine Rehder aus Wendisch Evern - seit 20 Jahren Gleichstellungsbeauftragte der Samtgemeinde Ostheide

OHR: Frau Rehder, seit wann sind Sie Gleichstellungsbeauftragte?

Frau Rehder: Seit dem 20. Mai 2000 bin ich Gleichstellungsbeauftragte der Samtgemeinde Ostheide.

OHR: Welche Anliegen wurden in dieser Zeit an Sie herangetragen?

Die Arbeit in dieser Zeit war und ist einem stetigen Wandel unterlegen. Anfangs ging es noch häufig um Betreuungszeiten in Kindergärten und Schulen, um den Wiedereinstieg von Müttern in den Beruf nach längeren Kindererziehungszeiten, um Hilfen beim Ausfüllen von Anträgen für den Bezug von ALG II und Schwierigkeiten alleinerziehender Frauen bei Behördenkontakten. Heute gehen die Mütter häufig nach einem Jahr, maximal zwei Jahren Elternzeit, zurück an ihren Arbeitsplatz und benötigen Betreuungsplätze für ihre Kinder, auf die sie inzwischen einen gesetzlichen Anspruch haben. Um einen Krippenplatz oder einen Platz bei einer Tagespflegeperson kümmern sich Eltern oft kurz nach der Geburt, um planen zu können für ihre weitere Berufstätigkeit. Wenn die Kinder dann zur Schule kommen, kann es, je nach Wohnort, etwas eng werden mit der Nachmittagsbetreuung, die eine freiwillige Leistung der Samtgemeinden ist. Erst, wenn Ganztagsschulen im Primarbereich überall eingeführt sind, wird sich diese Situation grundlegend ändern. Bis dahin sind Geduld, verständnisvolle und kooperative Arbeitgeber und Kreativität gefragt bei den Eltern mit Grundschulkindern. Der Ausbau der Grundschulen für den Ganztagsschulbetrieb benötigt Zeit, einen gesetzlichen Anspruch auf die Beschulung in einer Ganztagsschule gibt es in Niedersachsen ab 2025.

OHR: Sie sind mittlerweile Gleichstellungsbeauftragte, nicht mehr „nur“ Frauenbeauftragte. Macht dies einen Unterschied?

Der Begriff Gleichstellungsbeauftragte ist durchaus wörtlich zu nehmen, da sich seit einigen Jahren vermehrt Männer an mich wenden. Meistens sind es hier Themen, die mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun haben. In unserer Samtgemeinde gibt es einige alleinerziehende Väter, die mit denselben Schwierigkeiten bei der Kinderbetreuung zu kämpfen haben wie die Mütter. Hinzu kommt tatsächlich, dass ihnen teilweise die Kompetenzen für diese Rolle abgesprochen werden, weil unsere Gesellschaft in der Geschichte einfach anders sozialisiert war.

OHR: Dieses Jahr war durch Corona ein besonderes Jahr. Haben Sie dies in Ihrer Arbeit auch erfahren?

Die „Corona-Zeit“ stellte und stellt Familien noch einmal vor ganz andere Herausforderungen: Kinder mussten plötzlich zu Hause betreut und beschult werden, nebenbei mussten Haushalt und Home-Office funktionieren, und dass meistens ohne Unterstützung der Großeltern, die ja durch Kontaktsperren geschützt werden sollten. Bis eine Notbetreuung der Kinder von Eltern mit „systemrelevanten Berufen“ wirklich gut funktionierte, hat es lange gedauert und es gab viel Gesprächsbedarf. Alleinerziehende Elternteile hatten es hier noch einmal besonders schwer, wenn sie sich an alle Auflagen, die zu diesem Lockdown gehörten, halten wollten. Gerade gegen Ende des Lockdowns waren die Erwartungen hoch, dass die eigenen Kinder endlich wieder betreut werden und sich die angespannte häusliche Situation wieder etwas entzerrt. In unserer Samtgemeinde war die Notbetreuung gut organisiert, in anderen Orten inner- und außerhalb unseres Landkreises lief es nicht immer so reibungslos.

OHR: Gibt es weitere Themen, die Sie in Ihrer Arbeit beschäftigen?

Leider gibt es auch bei uns in der Samtgemeinde Fälle von Gewalt gegen Frauen und Kinder, in denen ich um Hilfe gebeten werde, Fälle von Verwahrlosung und auch von Gewalt gegen Männer. Wird ein derartiges Problem an mich herangetragen, duldet die Bearbeitung keinen Aufschub.

Andere, wenig erfreuliche Themen sind drohende Obdachlosigkeit, auch von Minderjährigen und Drogenkonsum, mit denen ich mich in der Vergangenheit beschäftigt habe und gemeinsam mit den Betroffenen kurzfristig nach Lösungen suchen musste.

Auch Seniorinnen haben sich schon häufig mit ihren Problemen an mich gewendet.

Dies ist ein Ausschnitt der Themen, mit denen ich mich befasse als Gleichstellungsbeauftragte, viele andere habe ich hier nicht aufgeführt.

Außerdem bin ich als beratendes Mitglied in verschiedenen Gremien der Samtgemeinde tätig und kann mich stets an die Samtgemeindeverwaltung wenden, die mich ggf. in meiner Arbeit unterstützt.

Wichtig ist bei meiner Arbeit stets die absolute Diskretion, auf die sich die Menschen, die sich an mich wenden, verlassen können müssen.

OHR: Wie gehen Sie mit solch schwierigen Problemen um?

Inzwischen habe ich ein Netzwerk von Personen in Behörden und sozialen Einrichtungen, an die ich mich wenden kann, um die hier beschriebenen Probleme mit und für die Menschen in unserer Samtgemeinde lösen zu können. Nicht zuletzt deshalb gibt es auch einen Zusammenschluss der Gleichstellungsbeauftragten auf Kreis-, Landes- und Bundesebene, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu beraten und um noch weitere relevante Themen zu bearbeiten.

OHR: 20 Jahre sind eine lange Zeit. Wird die Arbeit da nicht langweilig?

Mein Arbeitsspektrum hat sich im Zeitablauf immer weiterentwickelt, sodass jedes neue dieser 20 langen Jahre spannend und herausfordernd für mich war und es hoffentlich auch in Zukunft weiter sein wird.

OHR: Wie können Sie die Bürger*innen der Ostheide erreichen?

Erreichen kann man mich unter den Telefonnummern 04131 59755 oder 016098190402.

OHR: Wir bedanken uns herzlich für Ihr Engagement und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und viel Freude in Ihrem Amt als Gleichstellungsbeauftragte.