Die Geschäfte fahren wieder hoch. Die Schulen haben für alle im Szenario A wieder geöffnet. Die Zahlen der angesteckten Personen im Landkreis Lüneburg und bundesweit sinken und das freiwillige Impfen in der Bevölkerung geht voran.

Doch was sind die langfristigen Folgen der Pandemie, insbesondere bei den Kindern und Jugendlichen? Nach fast einem Jahr Online-/Home-Schooling, Kontaktvermeidung, ohne normales Vereins- oder Verbandsleben, fast nur zu Hause mit der Familie und den „nervigen“ Geschwistern. Zwischen rein in die Schule und raus aus der Schule. Zwischen morgendlichem Testen und Belehrungen auf dem Schulgelände „Maske auf!“.

Wir können es nur erahnen. Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen werden bald um die Ecke kommen und vermutlich unser subjektives Erleben im Bereich Jugendhilfe und Schule mit konkreten Zahlen darstellen.

Gerade die Kinder von elf bis 17 Jahren hat es besonders hart getroffen. Sie waren fast nur im Onlinemodus zu Hause. Lockdown bedeutet hier auch ein Leben auf engem Raum, nicht immer hat der digitale Unterricht oder die Verbindung geklappt, nicht immer waren Eltern zu Hause im Homeoffice und konnten bei den Schularbeiten helfen, nicht alle Kinder und Jugendlichen wohnen auf dem Land mit Garten, haben vielleicht nicht einmal ein eigenes Zimmer.

Das Sozialleben der Kinder und Jugendlichen war fast auf null gefahren. Kein Sport im Verein oder Treffs bei der Jugendfeuerwehr oder abendliche Verabredungen mit den Kumpels an der Ecke. Dabei sind gerade die Räume außerhalb von Elternhaus und Schule für die Kinder und Jugendlichen so wichtig. Hier erleben sie gemeinsam tolle Momente, das Erfahren und Miteinander in der Gruppe. Das erste Abenteuer, die ersten Freundschaften oder nur das einfache gemeinsam hier sein! Sie erwerben Kompetenzen, die das Elternhaus nicht hervorholen kann und die wichtig für ihre weitere Entwicklung sind. Kompromissbereitschaft, Kommunikationsstrategien, Durchsetzungsvermögen in der Gruppe, der Erwerb von Selbstbewusstsein durch Freunde, um nur einige Punkte zu nennen.

Bei all den durchaus berechtigten Sorgen und Ängsten um Wirtschaft, das Gesundheits- und Pflegesystem dürfen wir die Kinder und Jugendlichen nicht vergessen! Auch jetzt nicht, wo alles so langsam wieder bergauf geht.

Ich mache mir wirklich Sorgen um das, was da noch kommt! Jetzt heißt es nach vorne zu schauen und zu handeln: Die Vereine, Verbände und Schulen sowie andere Treffpunkte und Institutionen außerhalb vom Elternhaus zu unterstützen, damit Kinder und Jugendliche wieder den Weg zurück bzw. einen neuen Zugang nach der Pandemie zu diesen so wichtigen Jugendeinrichtungen finden können, Halt finden, damit sie wieder gemeinsam spannende Abenteuer und wertvolle Erlebnisse in Gruppen erleben dürfen, damit Kinder gemeinsam mit Gleichaltrigen auf Augenhöhe über Dinge sprechen und sich austauschen können.

Unterstützung auch, weil es für ihre Entwicklung wichtig ist neue Kompetenzen und Fähigkeiten außerhalb von Schule und Elternhaus zu erwerben.

Die Folgen sehe ich bereits in meiner täglichen Arbeit im Bereich Schule und Jugendhilfe. Gerade Teenager, die sich in dieser Entwicklungsphase ohnehin oft zurückziehen vom Elternhaus und andere Wege der Kommunikation mit Freunden suchen, ziehen sich nun noch mehr zurück. Sicherlich zählt das nicht für alle, und viele werden auch gut durch die Pandemie kommen. Aber wie so oft, insbesondere die Kinder und Jugendlichen aus finanzschwachen Familien hat die Pandemie am härtesten getroffen.

Ich erlebe Kinder, die unter sozialer Vereinsamung leiden, Depressionen während der Pandemie entwickeln, akuten Bewegungsmangel haben, die struktur- und perspektivlos sind, die unter Konzentrationsstörungen leiden, weil sich der Schlafrhythmus und die Gewohnheiten durch z.B. wechselnden Unterricht verschoben haben. An dieser Stelle möchte ich über die Folgen des übermäßigen Medienkonsums während der Pandemie erst gar nicht sprechen.

Wir erleben, dass wir in den nächsten Jahren mehr machen müssen und dringend die Kinder und Jugendlichen bei ihrer Entwicklung unterstützten, manchmal vielleicht auffangen müssen. Nicht mit dem Ansatz sie müssen etwas aufholen und zusätzlichen Druck vermitteln, sondern vielmehr mit dem Ansinnen sie wieder abzuholen, ihnen neuen Halt sowie etwas Struktur und neue Perspektiven anzubieten.

Dabei kann das „Aufholpaket“ der Bundesregierung über zwei Milliarden Euro sicherlich helfen und einen Teil dazu beitragen. Damit sollen z.B. Ferienfreizeiten oder außerschulische Angebote vor Ort gefördert werden. Aber das wird so allein sicherlich nicht ausreichen. Nur weil die Kinder eine Freizeitfahrt z.B. in den Heide Park machen oder eine Runde zum Klettern in den Wald fahren, werden die Folgen der Pandemie nicht gleich behoben sein.

Hier wünsche ich mir langfristige Programme und eine Stärkung der Basis vor Ort, wie z.B. einen Ausbau und Festigung der bereits vorhandenen Strukturen und Angebote der lokalen Kinder- und Jugendarbeit in den Vereinen, in den Verbänden und anderen Institutionen. Darüber hinaus brauchen wir nicht nur die formellen Treffpunkte mit gutem qualifizierten Personal, sondern auch mehr informelle, unbegleitete Treffpunkte/Freiräume für die Entfaltung unserer Kinder und Jugendlichen vor Ort.

Maik Peyko - Neetze