Kommentar

Um es gleich vorwegzusagen: Mir persönlich waren die Bauernproteste zu massiv und die Forderungen zu ungenau und allgemein. Anlass für die Bauernproteste waren die Kürzungen von Subventionen.

Warum oder wogegen protestieren die Bäuerinnen und Bauern aber sonst noch?

Wenn es um höhere Preise für die landwirtschaftlich erzeugten Produkte geht, dann ist nicht die Regierung die richtige Ansprechpartnerin, sondern die Konzerne des Lebensmittelhandels. Zwischen Erzeugern und Handel muss ein gerechteres Aushandeln der Preise erreicht werden. Angebot und Nachfrage bestimmen in unserer Marktwirtschaft die Preise. In allen Branchen. Braucht es bessere Verhandlungspartner auf der Seite der Landwirtschaft?

Wenn es um weniger Bürokratie und Vorschriften geht, dann frage ich mich, welche Vorschriften wirklich wegfallen können. So dürfen Kontrollmöglichkeiten über die Verwendung von Insektiziden, Pestiziden, Fungiziden und Düngern nicht aufgegeben werden. Schließlich sind erklärte Ziele der Bundesregierung und der Europäischen Union, das Insektensterben einzudämmen (auch ausgelöst durch Insektizide), dadurch mehr Artenvielfalt zu ermöglichen, das Tierwohl zu stärken und das Nitrat im Grundwasser (durch zu hohe Düngergaben) zu vermindern. Letzteres verursacht erhebliche Kosten für die Aufbereitung von Trinkwasser. Diese Kosten müssen alle Menschen tragen.

Wenn es um eine sichere Zukunft geht, dann stellt sich die Frage, ob selbstständige Betriebe überhaupt eine sichere Zukunft haben können. Schließlich leben wir in einer Marktwirtschaft, die sich immer wieder verändert und an deren Veränderungen sich Betriebe anpassen müssen, wenn sie langfristig überleben wollen. 

Ich habe durchaus Verständnis für die Unzufriedenheit der Bauern. Schließlich geht es bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben ums Überleben. Aber warum ist es so weit gekommen? Und wer trägt hier die Verantwortung? Liegt es vielleicht daran, dass die Industrialisierung der Landwirtschaft zu viel zu spezialisierten landwirtschaftlichen Betrieben geführt hat, sodass hohe Investitionen zum Beispiel in spezielle Ställe erforderlich sind und jede Mindereinnahme schnell in Richtung Insolvenz führt, weil die Kredite nicht mehr bedient werden können? Ein Beispiel: Wenn Schweinezuchtbetriebe nur wirtschaftlich sind, wenn eine bestimmte Menge an Schweinen gemästet, geschlachtet und vermarktet wird, sich gleichzeitig aber – warum auch immer - weniger Schweinefleisch verkaufen lässt, dann haben diese Betriebe ein erhebliches Einnahmeproblem, das sie durch keinen anderen Betriebszweig vorübergehend ausgleichen könnten. Und so ist es mit allen Betrieben, die nur ein Standbein haben. Dies gilt übrigens auch für andere Branchen wie zum Beispiel Autozuliefererbetriebe. Wenn es mehr Elektroautos gibt, werden viele Teile, die für einen Verbrennermotor notwendig sind, nicht mehr in gleicher Menge benötigt. Diese Betriebe gehen pleite, wenn sie ihre Produktion nicht rechtzeitig umstellen können. Nur Betriebe, die mehrere Standbeine haben, können ggf. Verluste in einem Bereich durch Einnahmen in einem anderen Bereich ausgleichen. 

Hinzu kommen in der Landwirtschaft erhebliche Kosten für die immer größer werdenden landwirtschaftlichen Maschinen. Im Rahmen der Bauernproteste hat man die Trecker bewundern können… Aber müssen es denn wirklich immer so große und teure Maschinen sein? Je größer die Maschinen werden, desto weniger passen sie auf unsere Straßen, ohne den PKW- oder Fahrradverkehr zu behindern. Eine Folge ist, dass unsere Straßenseitenräume durch Trecker, LKWs beim Abtransport der Ernten und ausweichende PKWs kaputtgefahren werden. Die Kosten hierfür trägt die Gemeinde und damit alle Menschen.

Ich würde mir wünschen, wenn die Landwirte in ihren Verbänden, wie dem Bauernverband, konkrete Ideen für die Lösung ihrer Probleme im Einklang mit den von der Bundesregierung und der EU angestrebten Ziele erarbeiten würden und dabei die Bedürfnisse aller landwirtschaftlichen Betriebe (der großen und der kleinen, der konventionellen und der ökologischen) berücksichtigen. Mit diesen Ideen und Vorschlägen kann man nicht nur im Bundeslandwirtschaftsministerium in Verhandlungen mehr erreichen als mit Blockaden auf den Straßen. 

Martina Habel